Meinungsfreiheit?

Die Regierung hat einen Auftrag an die Agentur MSL Germany vergeben, um die Bevölkerung vor den Gefahren von Fake News zu beschützen, die laut der letzten FORSA-Erhebungen auch in Ostbelgien verbreitet werden1,2. Ministerpräsident Paasch erklärte im Parlament, dass die komplexen sozialen und politischen Gegebenheiten manchmal überfordernd wirken können. Auch die Tatsache, dass es auf viele Fragen in dieser Krise keine eindeutigen Antworten gibt, verunsichere viele Menschen. Das könnte ein idealer Nährboden sein für die Feinde der Demokratie, Extremisten und ihre Verbündeten in der Fake News Industrie. Extremisten würden häufig versuchen die Ängste der Menschen für ihre fragwürdigen Ziele zu missbrauchen und die Gesellschaft durch das Verbreiten von Lügen zu spalten.3,4

Passend hierzu bestätigte sich im Nachbarland zur gleichen Zeit, dass das dortige Innenministerium im März 2020 Wissenschaftler mehrerer Forschungsinstitute und Hochschulen für politische Zwecke eingespannt hatte. Diese sollten ein Rechenmodell erstellen, auf dessen Basis Maßnahmen präventiver und repressiver Natur geplant werden könnten. Die Autoren empfahlen ebenfalls drastische Maßnahmen zur Krisenkommunikation, die gewisse Urängste in den Menschen wecken sollten.5

Dieses Dokument gelang bereits letztes Jahr an die Öffentlichkeit6, wurde jedoch bis zur jetzigen Bestätigung der Echtheit – Juristen hatten die Herausgabe rechtlich erzwingen können – als Fake News deklariert, die einem wirren Mitarbeiter zugeschrieben wurden.7,8

Die Regierung hat also „die renommierte Agentur MSL Germany“ beauftragt9, zunächst eine Analyse der Ist-Situation in der DG zu erstellen. Auf dieser Grundlage soll dann ein nachhaltiges, strategisches Konzept erstellt werden, das uns helfen soll, das Abwehrsystem gegen Fake News und ähnliche Phänomene zu stärken. Tools sollen erarbeitet werden um Unwahrheiten von Wahrheiten zu unterscheiden, um Falschmeldungen entgegen zu wirken.

Die finanziellen Auswirkungen des ersten Teils des Angebotes (Analyse und Konzeptarbeit) belaufen sich auf 28.400 Euro (ohne MwSt.).

Die finanziellen Auswirkungen des zweiten Teils des Angebotes (strategische Beratung) belaufen sich auf 93.600 Euro (ohne MwSt.).

Hier der offizielle Wortlaut bei der Vergabe: „Es wird vorgeschlagen die Inanspruchnahme des Beratungsangebots auf die, aus der analytischen und konzeptionellen Arbeit resultierenden, Ergebnisse anzupassen und die Auftragsvergabe für den ersten Teil des Angebotes zu erteilen. Durch diesen Regierungsbeschluss wird der Zuschlag für den ersten Aufwandschritt (strategische Konzeption) erteilt.“9

Eine international agierende PR-Agentur der Qorvis/MSL group10, die u.a. beschuldigt wird inmitten der Hinrichtung von politischen Demonstranten und Kritikern, seit 2001 für Saudi-Arabien zu arbeiten, um deren Bilanz in Sachen Menschenrechte zu „beschönigen“.11,12

Solch ein Unternehmen arbeitet jetzt für die DG Regierung und soll den Bürgern der DG erklären was richtig und was falsch ist?

Diese Firma arbeitet „Influencer Strategies“ aus – also eine Beeinflussung – und wirbt mit folgenden Sprüchen:

„Wir sind Berater, Ideengeber und Helfer für unsere Kunden – und stärken ihren Einfluss bei relevanten Zielgruppen, Medien und Mittlern…durch Lobbying, PR-Kampagnen, Social Engagement und Influencer Marketing.“

So etwas dient nicht der Wahrheitssuche sondern einzig und allein dem Lobbyismus. Hier geht es nicht um Aufklärung, sondern um gezielte Einflussnahme, und es lässt tief blicken, dass die DG Regierung sich solcher Maßnahmen bedient.

Welches Ziel wird hier verfolgt?

Soll diese Agentur dabei helfen die Ostbelgier auf Kurs zu bringen und ihnen den Weg zur einzigen Wahrheit aufzuzeigen?

Doch was genau sind Fake News? Wer definiert was wahr und was unwahr ist?

Die Regierung? Experten? Ein Wahrheitsministerium?

Und unterliegen diese „Tools“ selbst einer Kontrolle, oder genießen diese Narrenfreiheit? Dürfen einzelne Institutionen und Menschen über die Deutungshoheit der Wahrheit verfügen, über solche Macht, ohne je selbst geprüft zu werden? Wir reden hier nicht von verfassungswidrigen Inhalten oder Hassreden, die nicht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit stehen, sondern von einem auferlegten Meinungsmonopol seitens der Regierung, die eine allgemeingültige Sichtweise auf gesellschaftspolitische Themen in die gewünschte Richtung lenkt.

Die beauftragte Agentur schreibt auf Ihrer Internetseite:

„Wir formulieren Botschaften, erzählen Geschichten, entwickeln Beziehungen, schaffen Erfahrungen und entfalten Wirkung“.

Zur Demokratie gehört der Streit um den richtigen Weg, die Auseinandersetzung, der Pluralismus – dass jetzt solche Beeinflusser von der Regierung beauftragt werden, um die Meinung der Bürger zu lenken ist mehr als erschreckend.

Bedeutet dies, das alles was die Regierung gerade nicht für richtig hält, als Fake News zu bezeichnen ist? 

 

Für die Vivant-Fraktion

Diana Stiel

Alain Mertes

Michael Balter

 

Quellennachweis:

1 http://www.ostbelgienstatistik.be/desktopdefault.aspx/tabid-6895/11278_read-62110/

2 http://www.ostbelgienstatistik.be/PortalData/22/Resources/downloads/themen/demoskopische_umfrage/Ergebnisbericht_November_20

3 https://ostbelgiendirekt.be/paasch-zudienstleistungsauftrag-275942

4 http://www.pdg.be/desktopdefault.aspx/tabid-5093/8772_read-62669/8772_page-3/

5 https://www.welt.de/politik/deutschland/article225864597/Interner-E-Mail-Verkehr-Innenministerium-spannte-Wissenschaftler-ein.html

6 https://www.focus.de/politik/deutschland/aus-dem-innenministerium-wie-sag-ichs-den-leuten-internes-papierempfiehlt-den-deutschen-angst-zu-machen_id_11851227.html

7 https://www.n-tv.de/politik/Corona-Rebell-veraergert-Innenministerium-article21771218.html

8 https://www.br.de/nachrichten/deutschlandwelt/fehlalarm-papier-warum-der-autor-kein-whistleblower-ist,RysQhvc

9 https://www.ostbelgienlive.be/desktopdefault.aspx/tabid-255/620_read-62422/

10 https://mslgroup.de/#Agency

11 https://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/pr-firm-accused-helping-saudi-arabia-whitewash-itshuman-rights-record-a6937271.html

12 https://www.welt.de/wirtschaft/article183146554/Saudi-Arabien-Der-geheime-Kunde-fuer-PR-Berater.html

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