Geschichte

 

Grün­dung

Die Anfän­ge der Vivant-Bewe­gung gehen auf den Brüs­se­ler Zivil­in­ge­nieur Roland Duchâ­telet zurück. Die­ser gab am 10. Dezem­ber 1997 in Brüs­sel die Grün­dung einer neu­en Par­tei mit dem Namen „Vivant“ bekannt. Der Name der Bewe­gung lei­tet sich fol­gen­der­ma­ßen ab: „Voor Indi­vi­du­ele Vri­jheid en Arbeid in een Nieu­we Toeko­mst“ (Für die indi­vi­du­el­le Frei­heit und Arbeit in einer neu­en Zukunft). Auf Fran­zö­sisch setzt sich der Name „Vivant“ aller­dings wie folgt zusam­men: „Vie Indé­pen­dan­te vers l’Avenir de Not­re Terre“ (Unab­hän­gi­ges Leben hin zur Zukunft unse­rer Erde).

Aus­schlag­ge­bend für die­sen Schritt Duchâ­telets war die Bestre­bung, der den finan­zi­el­len, mensch­li­chen und öko­lo­gi­schen Pro­ble­men der dama­li­gen Zeit einen Platz in der Poli­tik geben woll­te. Er pran­ger­te an, dass die Poli­tik ihre Ent­schei­dun­gen nicht mehr zukunfts­ori­en­tiert trifft und dass der Mensch nur noch an zwei­ter Stel­le steht.

Haupt­ziel die­ser neu­ge­grün­de­ten Par­tei war vor allem die Ein­füh­rung eines neu­en Wirt­schafts- und Sozi­al­mo­del­les, wel­ches haupt­säch­lich auf der Befrei­ung der Nied­rig­löh­ne von Steu­ern und Sozi­al­las­ten, der Ein­füh­rung einer erhöh­ten indi­rek­ten Besteue­rung zuguns­ten einer Sen­kung der Lohn­ne­ben­kos­ten, sowie der Ein­füh­rung eines bedin­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­mens für jeden, unab­hän­gig von Beruf und sozia­lem Sta­tus, fußt. Wei­te­re The­men, wie die Schaf­fung neu­er Arbeits­plät­ze und die Ein­füh­rung einer direk­te­ren Form der Demo­kra­tie, bei der Bür­ger­re­fe­ren­den über poli­ti­sche und gesell­schaft­li­che The­men orga­ni­siert wer­den sol­len, waren Teil der neu­en Welt­an­schau­un­gen von Vivant.

Ers­te Schrit­te in der DG 

Da die Mut­ter­par­tei rasch an Mit­glie­dern gewann und sich ste­tig ver­grö­ßer­te, setz­te sich Jean Van Ael ab 1998 auch auf dem Gebiet der Deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft Bel­gi­ens für die Grün­dung einer Lokal­grup­pe der Vivant-Bewe­gung ein. In Zusam­men­ar­beit mit Ani­ta Brüls konn­te am 30. Janu­ar 1999 im Eupe­ner Café-Restau­rant Jäger­hof am Kehr­weg eine Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung zu Vivant für die deutsch­spra­chi­ge Bevöl­ke­rung orga­ni­siert wer­den, die als eigent­li­che Geburts­stun­de von Vivant-Ost­bel­gi­en gel­ten kann, auch, wenn bereits Ende 1998 drei­ßig akti­ve Mit­glie­der bei Jean Van Ael gemel­det waren. Vor allem jun­ge Men­schen aus allen Gesell­schafts­schich­ten inter­es­sier­ten sich für die Grund­ideen von Vivant.

Vivant-Ost­bel­gi­en stell­te noch im sel­ben Jahr eine Kan­di­da­ten­lis­te für die Wah­len vom 13. Juni 1999 auf. Das Haupt­au­gen­merkt lag zu die­ser Zeit vor allem auf die Wah­len für den Rat der Deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft (heu­te Par­la­ment der deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft). Aus die­sem Grund eröff­ne­te am 4. Juni 1999 das Par­tei­bü­ro von Vivant im Schils­weg 35 in Eupen, wel­ches als Anlauf­stel­le für alle Vivant-Mit­glie­der und alle inter­es­sier­ten Bür­ger diente.

Die Wahl­er­geb­nis­se vom 13. Juni 1999 belohn­ten dann den Ein­satz der noch jun­gen Bewe­gung, die mit 3,3% der Stim­men nur knapp den Ein­zug in den Rat der Deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft verpasste.

Ers­te Schrit­te im Par­la­ment: 2004 — 2009

Bei den Wah­len vom 13. Juni 2004 gelang es dann, 7,34% der Wäh­ler­stim­men zu ergat­tern, was gleich­be­deu­tend mit dem Ein­zug der bei­den Brü­der, Josef und Ernst Mey­er, ins Par­la­ment der Deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft (PDG) für die Legis­la­tur­pe­ri­ode 2004 bis 2009 war. Somit fan­den die Schwer­punk­te des Vivant-Pro­gram­mes wie das bedin­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men, eine ver­mehr­te Bür­ger­be­tei­li­gung, die Sen­kung der Lohn­kos­ten, die sozia­le Gerech­tig­keit, die bür­ger­li­chen Frei­heits­rech­te sowie die Ver­fech­tung einer nach­hal­ti­gen Poli­tik erst­mals Ein­zug ins PDG. Trotz alle­dem ent­wi­ckel­te Vivant-Ost­bel­gi­en auch eine eige­ne Dyna­mik, sodass eige­ne, nicht durch Duchâ­telet vor­ge­ge­be­ne, The­men auf­grif­fen wur­den. So waren — und sind auch heu­te noch — u.a. The­men­fel­der wie die Reform des Geld­sys­tems, die Alter­na­ti­ve zum aktu­el­len Geld­sys­tem namens Frei­geld, aber auch das Hin­ter­fra­gen des Sinn und Nut­zen von Imp­fun­gen, oder aber die Kri­tik an der Aus­rich­tung der EU-Poli­tik spe­zi­fisch für den ost­bel­gi­schen Able­ger von Vivant.

Nichts­des­to­trotz sah sich Vivant 2007 mit sei­ner bis dato größ­ten Her­aus­for­de­rung kon­fron­tiert, näm­lich einer regel­rech­ten Iden­ti­täts­kri­se. Am 11. Febru­ar 2007 war bereits bekannt gewor­den, dass die Mut­ter­par­tei von Vivant auf föde­ra­ler Ebe­ne ein Kar­tell mit der flä­mi­schen VLD bil­den wür­de, wel­ches seit­dem unter dem Namen „Open VLD“ bekannt ist.

In der Deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft war indes zwar beschlos­sen wor­den, wei­ter unter dem Namen „Vivant-Ost­bel­gi­en“ auf­zu­tre­ten, da man stets auto­nom gegen­über den ande­ren regio­na­len Grup­pen der Bewe­gung agiert hat. Den­noch war die­se Tat­sa­che ein her­ber Rück­schlag, der nicht zuletzt auch des­we­gen umso gra­vie­ren­der aus­fiel, da Jean Van Ael am 2. Janu­ar des­sel­ben Jah­res bereits als Koor­di­na­tor von Vivant-Ost­bel­gi­en aus­ge­schie­den war und die Par­tei seit­dem nach einer neu­en Aus­rich­tung such­te. Die inner­par­tei­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen mün­de­ten schließ­lich am 1. Juni 2007 in der Auf­lö­sung der Bezirks­grup­pe Eupen.

Eine Umstruk­tu­rie­rung der Par­tei um Joseph Mey­er und Micha­el Bal­ter, sei­ner­seits poli­ti­scher Koor­di­na­tor von Vivant-Ost­bel­gi­en, war unum­gäng­lich. So ver­schwand mit der Zeit die Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen den Grup­pen im Nor­den und Süden der Deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft, was somit der Bewe­gung eine neue Rich­tung vorgab.

Gene­ra­tio­nen­wech­sel und Etablierung 

Dass die Maß­nah­men der Umstruk­tu­rie­rung fruch­te­ten, zeig­te sich beim Ergeb­nis der Wah­len vom 7. Juni 2009, bei dem Vivant-Ost­bel­gi­en 7,16% der Stim­men erhielt. Mit dem Mot­to „Es ist Zeit, sich auf den Weg zu machen!“ war es der Par­tei gelun­gen, ihr Resul­tat von 2004 zu hal­ten und somit für eine wei­te­re Legis­la­tur­pe­ri­ode ins Par­la­ment der Deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft ein­zu­zie­hen. Eine grund­le­gen­de Neue­rung war jedoch, dass nicht Joseph und Ernst Mey­er die Abge­ord­ne­ten stell­ten, son­dern mit Micha­el Bal­ter und Alain Mer­tes ein Gene­ra­tio­nen­wech­sel voll­zo­gen wur­de. Den­noch soll­te wei­ter­hin die Oppo­si­ti­ons­ar­beit im PDG im Vor­der­grund ste­hen und die Idea­le von Vivant auch wei­ter­hin prä­sent bleiben.

Auch bei den Wah­len vom 25. Mai 2014 konn­te die Par­tei um Micha­el Bal­ter und Alain Mer­tes sich wei­ter­hin behaup­ten. Mit einem deut­li­chen Stim­men­zu­wachs erhielt Vivant-Ost­bel­gi­en 10,62% der Stim­men und über­hol­te Eco­lo als fünftstärks­te Par­tei in der Deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft und eta­blier­te sich damit fest in den Rei­hen der ost­bel­gi­schen Par­tei­en. Nichts­des­to­trotz blieb ein fader Bei­geschmack, denn bei den Wah­len 2014 konn­ten zwan­zig Stimm­kar­ten nicht kor­rekt aus­ge­wer­tet wer­den und wur­den daher annul­liert. Die­ser Umstand ist umso bedau­er­li­cher, da Vivant ledig­lich noch 14 Stim­men benö­tig­te, um einen drit­ten Sitz im Par­la­ment zu erlan­gen. Unab­hän­gig von der Anzahl Sit­ze, die Vivant-Ost­bel­gi­en erhal­ten hat, sehen Micha­el Bal­ter und Alain Mer­tes wei­ter­hin ihre Haupt­auf­ga­be dar­in, die Bevöl­ke­rung über vor­herr­schen­de Miss­stän­de auf­zu­klä­ren und Alter­na­ti­ven zur klas­si­schen Poli­tik zu bieten.