Der Neujahrsempfang von Vivant wurde unkonventionell wie immer als Pressegespräch gestaltet. Vivant betonte, dass die Parteien, die Wahlverluste hinzunehmen hatten, trotzdem sehr seelenruhig und selbstzufrieden mit ihrer Regierungskoalition business-as-usual machten, nach dem Motto: „Ich schaue nicht hin, dann schaust du nicht hin.“ Die Regierungsmitglieder geben sich in vielen Bereichen ihrem sprichwörtlichen blinden Optimismus hin. So sieht man nicht das Einsparpotenzial im Bereich des Parlaments, das sieben Millionen Euro pro Jahr und der Regierung die allein vier Millionen Euro pro Jahr kosten, obwohl man nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten sucht. Für das Maßhalten und die notwendigen EINsparungen fehlt der Regierung einfach die EINsicht. „Zumindest wird es ein externes Audit geben, was wir seit Jahren predigen“, so Michael Balter.
Weiter wird im Bereich der Krankenhäuser und der Altenpflegeheime über eine frappierend hohe Zahl an Vorfällen und über diverse Missstände einfach hinweg gesehen. Diese sind durch „große Probleme im Personalbereich“ bedingt. „Ich habe das anfangs gar nicht glauben wollen, wenn mir Leute davon berichteten“ so Alain Mertes von Vivant, „die Fälle sind in dieser Fülle wirklich dramatisch“. Einzige Reaktion des Ministers hierauf waren Ankündigungen, die Inspektion schicken zu wollen.
Im Bereich der Krankenhäuser gibt es ähnliche Zustände, wobei man auf die verteilten Zuständigkeiten verweist, und sich weigert, seine eigene Verantwortung wahrzunehmen und die Möglichkeiten des eigenen Handels innerhalb dieser Kompetenzverteilung zu erkennen.
Im Bereich des Unterrichts an öffentlichen Schulen wünscht sich Vivant mehr Rückendeckung für Lehrer und die Verlagerung der Erziehung in das Elternhaus, da Erziehung an sich nichts Negatives sei. Vielfach werden Lehrkräfte zu sehr mit Erziehungsaufgaben aufgehalten und damit von ihrer eigentlichen Tätigkeit, dem Unterrichten, abgehalten. Auch kann man sich eine größere Autonomie für Schulen sehr gut vorstellen, wofür es in den Niederlanden hervorragende Beispiele gibt. Dort werden Lehrer eigenständig von den Schulen eingestellt, mit eigenen Gehaltsverhandlungen und Einstufungen. In Konflikten sollen nicht nur die Eltern gehört werden, weil diese die größte Wählergruppe sind, sondern man muss unbedingt auch die Lehre mehr unterstützen. Jedenfalls sei es gut, dass das Dienstrecht auf dem Prüfstand stehe, meinte Balter.
Die neue Abgeordnete für Vivant im Parlament, Diana Stiel, die am Anfang des Pressegesprächs vorgestellt worden war, kritisierte die relativ hohen Ausgaben für „elitäre“ Einrichtungen wie das Theater Agora und das Museum IKOB. Diese verschlängen immense Summen pro Jahr, obwohl sie nur von einem relativ „kleinen Publikum“ genutzt würden, so Diana Stiel. Die dafür verwendeten öffentlichen Gelder wären besser in der Kinderbetreuung genutzt oder im Gesundheitsbereich verwendet worden. Sie forderte des Weiteren ein Sprachniveau für Migranten auf dem Level B1, damit diese problemloser in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten.
Der hohen Zahl der Langzeitarbeitslosen, deren Prozentsatz sich bei fast 20 % bewegt, müsse man endlich beikommen, aber nicht in der Art, wie das Arbeitsamt derzeit funktioniert, so die Parlamentarier von Vivant. Kontrolldienst und Vermittlung seien im Arbeitsamt zwar zuletzt zusammengeführt worden, aber sie arbeiten de facto immer noch getrennt voneinander. Michael Balter fand es jammerschade, dass die DG und die angrenzenden französischsprachigen Gebiete die 100-Jahr-Feier zum Vertrag von Versailles, wo neben den Kommunen der DG auch Malmedy und Weismes zu Belgien kamen, getrennt voneinander gefeiert hatten. Sie haben eine so lange gemeinsame Geschichte und auch der Malmedyer Bürgermeister Jean-Paul Bastin hätte darauf verwiesen, dass auf Malmedy und Weismes bei den DG-Feierlichkeiten im Senat nicht Bezug genommen worden war. Auch die teils aggressive Marketingkampagne „Ostbelgien“ habe die Gräben weiter vertieft. Vivant hatte davor gewarnt und es hat sich leider bewahrheitet.
Vivant hatte bei den letzten Wahlen in den Zentrumsgemeinden zugelegt und war in Amel, Bütgenbach und Büllingen stärkste Kraft geworden. Potenzial gibt es noch im Norden der DG, den jetzt wenigstens Diana Stiel vertritt. Seine Partei sei bereit, Verantwortung zu übernehmen, „aber den Klüngel werden wir nicht mitmachen“, so Balter. „Es gibt zahlreiche Unternehmen in der DG, die mehr Verantwortung übernehmen als unsere Minister. Und sie alle haben auch keinen Fahrer wie unsere Minister“, so Balter auf die Frage hin, ob er als Minister einen Fahrer bräuchte, die er definitiv verneinte.
Für die Vivant-Fraktion,
Alain Mertes
Michael Balter
Diana Stiel