Fall Raxhon: Ist das Versagen im Tagesmutterproblem nur die Spitze eines Eisbergs?

Fall Raxhon: Jemand sagt hier die Unwahrheit

Seit einem Monat beschäftigt der Fall der Frau Arlette Raxhon die ostbelgische Öffentlichkeit. Nun hat sich die in Moresnet wohnende Tagesmutter, die seit 18 Jahren im RZKB (neuerdings ZKB) tätig ist, in einem offenen Brief an DG-Regierung und -Verwaltung, das ZKB und alle Abgeordneten im PDG gewandt. Sie erhofft sich davon eine Lösung der bestehenden Problematik ihrer Zulassung aufgrund territorialer Zuständigkeiten – für sich und auch für die betroffenen Eltern und Kinder. Mit jedem Tag, der vergeht, wird auch deutlicher, dass vor allem die zuständige Ministerin Lydia Klinkenberg (ProDG) einen ziemlich lockeren Umgang mit der Wahrheit pflegt.

Im „Fall Raxhon“ zeigt sich immer mehr, dass die zuständige Bildungsministerin Lydia Klinkenberg nicht nur mit diesem Einzelfall, sondern mit der gesamten Thematik um das frühere Regionalzentrum für Kleinkindbetreuung (RZKB) überfordert ist. Außerdem deutet sich an, dass die Ministerin es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt.

Der Hintergrund des Falles Raxhon ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach: Arlette Raxhon ist vor rund 18 Jahren auf die andere Seite der Sprachengrenze – nach Moresnet – gezogen und arbeitet seitdem als DG-Tagesmutter in der Französischsprachigen Gemeinschaft. Trotzdem hat sie ihre Arbeit als Tagesmutter ohne Beanstandungen und offensichtlich zur Zufriedenheit der Eltern der ihr anvertrauten Kinder erbracht. Allerdings im föderalen Belgien auf institutionell wackligen Beinen.

Das ist 2023 im Frühjahr erstmals aufgefallen. Allerdings nicht direkt, sondern weil sich bei einer anderen Tagesmutter wegen einem Verdacht auf Verstöße gegen die Sittlichkeit herausstellte, dass diese in der Französischsprachigen Gemeinschaft wohnt, während sie eine Dienstleistung für die Deutschsprachige Gemeinschaft erbringt, was institutionell nicht in Ordnung war. Bei näherem Hinsehen stieß man bei der DG dann ebenfalls auf den „Fall Raxhon“. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass die DG-Regierung von dem anderen Fall ablenken wollte, weil es dort dem Vernehmen nach nämlich eine Nähe zu einer der DG-Regierungsparteien gibt.

Die Frage stellt sich außerdem, warum man sich im sonst gerne locker auftretenden „Land der belgischen Kompromisse“ nicht auf eine Lösung zwischen den beiden Gemeinschaften einigen konnte. Anders als DG-Ministerin Klinkenberg es darstellt, hat die Französischsprachige Gemeinschaft eine Lösung erarbeitet und der DG-Ministerin diese im Herbst 2023 unterbreitet. Das belegen gleichlautende Informationen aus dem Kabinett der zuständigen FG-Ministerin Bénédicte Linard (Ecolo) und des Ministerpräsidenten der FG, Pierre Yves Jeholet (MR).  

Das Fazit: Jemand muss hier also ziemlich locker mit der Wahrheit umgehen. Im Allgemeinen nennt man das eine Lüge. Als Lydia Klinkenberg sich zum ersten Mal zu dem Fall äußerte und diesen als fast unlösbares institutionelles Problem darstellte, wusste sie, dass eine Lösung von der Französischsprachigen Gemeinschaft angeboten worden war und somit möglich. Frau Klinkenberg hat die Öffentlichkeit also offenbar wissentlich falsch informiert.

Das wiegt schwerer als die vielen Fragen, die sich zum Umgang mit dem Fall Raxhon stellen. Warum wurden Frau Raxhon und die betroffenen Eltern so lange im Unklaren gelassen und erhielten vier Tage vor Weihnachten die Hiobsbotschaft der Kündigung zum Jahresende? Wie kann es sein, dass Frau Raxhon 18 Jahre lang für das RZKB und damit für die DG arbeitet und ohne Probleme für ihre Arbeit bezahlt wurde, obwohl dies juristisch nicht in Ordnung ist? Noch im Dezember 2019 wurde Frau Raxhon die Zulassung als Tagesmutter vom RZKB um weitere fünf Jahre, also bis zum 31.12.2025, verlängert. Dies wurde ihr schriftlich an ihre Adresse in Moresnet mitgeteilt. Und in all den Jahren soll niemandem diese Problematik aufgefallen sein?

Es erweckt den Eindruck, dass Frau Klinkenberg sei mit der Amtsführung des Bildungsministeriums überfordert ist. Gleiches gilt für den Verwaltungsrat des RZKB und dessen Vorsitzenden Patrick Meyer (CSP). Gibt es womöglich einen Zusammenhang zwischen den im DG-Parlament und in den Medien immer wieder angesprochenen Missständen beim RZKB und dessen Übernahme durch das Ministerium?

Man wird auch den Verdacht nicht los, dass sich mehr hinter der Geschichte um die andere Tagesmutter mit Nähe zu einer der DG-Regierungsparteien verbirgt, bei der es schwerwiegende Unregelmäßigkeiten gegeben haben soll. Unweigerlich muss man an andere Fälle denken, bei denen es auch eine Nähe der Hauptakteure zu Regierungsparteien gab. Das gilt für die von unserem PDG-Abgeordneten, Alain Mertes, im Parlament angesprochenen und vom GrenzEcho aufgedeckten Probleme in den Wohn- und Pflegezentren für Senioren (WPZS) Bütgenbacher Hof und Haus Sankt Elisabeth und bei deren Trägergesellschaft Vivias. Hier wurden die vielfältigen Probleme trotz eines kritischen Berichts der Ombudsfrau und dem Einschalten der Staatsanwaltschaft von der Regierung zum Teil noch immer nicht behoben.

Die Frage drängt sich auf, ob die bekanntgewordenen Fälle nur die Spitze eines Eisbergs sind. Das wäre für unsere kleine Deutschsprachige Gemeinschaft, in der es sowieso eine zu große Vermengung der Politik mit vielen gesellschaftlichen Themen gibt, ein echtes Problem. Wir von Vivant fordern deshalb die volle Transparenz im vorliegenden „Fall Raxhon“ und dem der anderen Tagesmutter hinter der Sprachgrenze.

Der „Fall Raxhon“ scheint aber auch zu zeigen, dass die aktuelle DG-Regierung auf noch mehr Bürokratie setzt und Komplikationen beinahe sucht anstatt sich um Lösungen zu bemühen. Auch das passt nicht in das von der DG-Regierung propagierte Image der Bürgernähe und der oft betonten Vorteile durch die Nähe der Politik zu den Menschen in der DG. Man hat den allgemeinen Unmut in der Gesellschaft offensichtlich noch nicht bemerkt.

Deshalb wird der Vivant-Abgeordnete im PDG, Alain Mertes, Ministerin Klinkenberg befragen, warum sie die Existenz eines Vorschlags der FG für eine Kooperationsvereinbarung zwischen den beiden Gemeinschaften im Fall Raxhon der Öffentlichkeit verschwiegen hat. Vivant möchte auch die wahren Gründe der DG-Regierung, die Unterschrift dieses Abkommens zu verweigern, erfahren. Und wenn die Ministerin Bedenken bezüglich der Vereinbarung mit der FG hat, warum hat sie diese nicht ihrer Amtskollegin Linard mitgeteilt?

Für uns als Vivant-Fraktion wirft der Fall Raxhon Fragen auf, die geklärt werden müssen und die viel weiterreichen als dieser Einzelfall. Wir müssen leider feststellen, dass zumindest manche DG-Minister ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind.

In wenigen Monaten hat der Bürger bei den DG-Wahlen die Möglichkeit, seine Meinung zur Arbeit der Regierung zu äußern. Neben dem aktuellen Fall stellen sich gravierende Fragen zum gesamten Dossier der Tagesmütter und des RZKB/ ZKB. Bereits am morgigen Donnerstag in der Regierungskontrolle im PDG werden wir weitere Probleme rund um die Kinderbetreuung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft ansprechen und weitere werden folgen. Wir behalten uns als Vivant-Fraktion vor, dieses Thema bis zur vollständigen Klärung immer wieder anzusprechen. Das ist unsere Pflicht als Oppositionspartei.  

Vivant-Fraktion

Diana Stiel, Alain Mertes, Michael Balter

Lesen Sie hier die Pressemitteilung im PDF-Format und hier den offenen Brief von Arlette Raxhon.

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