Ein kleiner Lichtblick für den demokratischen Rechtsstaat. Das Gericht Erster Instanz in Brüssel hat also entschieden, dass die geltenden Bestimmungen nicht als Grundlage für das Feuerwerk an ministeriellen Erlasse dienen können. Ohne Gesetz keine Maßnahmen. Die Corona-Regeln haben keine Legitimation. Die Willkür soll ein Ende haben.
Die Vivant Fraktion hat letztes Jahr in mehreren Pressemitteilungen genau diesen Missstand immer wieder angemahnt und angeprangert. Im Zuge dessen hat Vivant ebenfalls die Position der Liga für Menschenrechte hervorgehoben, die nun mit ihrer Klage erfolgreich war. Das langfristige Regieren per Notdekret am Parlament vorbei, durfte und darf keinen Bestand haben.
Wenn der normale Bürger sich nicht an die Rechtsgrundlagen, also Verfassung und Gesetze hält, nennt man das mitunter kriminell. Strafrechtliche Aktionen folgen auf dem Fuße. Bei der Regierung verhält sich das anders. Aus Regierungskreisen äußerte man sich umgehend, dass die Bevölkerung sich trotzdem an alle Maßnahmen zu halten habe, und dass die drakonischen Strafen weiter Gültigkeit haben – egal wie irrsinnig manche von diesen erscheinen mögen. In einfachen Worten: Legal, illegal, vollkommen egal!
Mit dem Umstand, dass die Regierung gegen dieses Urteil Berufung einlegt, stellt sie sich selbst ein Armutszeugnis aus. Wieso können sie nicht einfach eingestehen, dass sie die Verfassung gebrochen haben? Vielleicht mal einen Fehler zugeben und daran arbeiten? Es ist ja nicht nur dieses Urteil, welches der Allgemeinheit zeigt, wie bedeutend es ist, dass die Justiz unabhängig von der Exekutive bleibt. Denn dieses Urteil ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Kritiker und juristische Experten prangern die fehlende gesetzliche Basis der Maßnahmen schon seit Monaten an, und das zu Recht! Dies alles einfach zu übergehen kennt man von anderen Regierungsformen, nicht von einer Demokratie.
Wir leben in einem Land, wo ein Gericht erst bestätigen muss, dass die Maßnahmen nicht verfassungskonform und somit illegal sind. Dass es überhaupt erst so weit kommen musste, obschon jeder einzelne Minister und Abgeordnete einen Eid auf die belgische Verfassung geleistet hat, ist an sich ja schon ein starkes Stück. Es zeigt auch die Ignoranz der Regierung vor unserer Verfassung. Die Krönung jedoch ist die Reaktion des Gesundheitsministers Frank Vandenbroucke. Er sagt, dass ihn das Urteil nicht „beeindrucke“, was wiederholt seine Arroganz – nicht nur gegenüber der Bevölkerung sondern auch gegenüber der Verfassung – widerspiegelt.
Die Gültigkeit der strafrechtlichen Sanktionen, die an die Maßnahmen durch ministerielle Erlasse geknüpft sind, geraten aktuell gehörig ins Taumeln. Doch es ist nur ein Etappensieg für die Verteidiger der Verfassungsrechte. Der Regierung wird genügend Spielraum gewährt, um in die Legalität zurückzukehren und dennoch ihrer Linie treu zu bleiben. Nun wird also zeitnah und gezwungenermaßen mit Vehemenz am notwendigen Pandemiegesetz gearbeitet werden. Doch auch hier mahnen wir zur Vorsicht! Es gilt für alle Seiten Acht zu geben, dass das Pandemiegesetz nicht nur die Zustimmung der Kammer hat, sondern vor allem verfassungskonform ist! Ein erster Entwurf wurde bereits von Verfassungsrechtlern kritisiert, da es sich hauptsächlich um ein zusammengewürfeltes Gesetz aus bisherigen ministeriellen Erlassen handelt, was nicht der Sinn der Sache ist. Es darf nicht sein, dass ein nicht genügend diskutiertes und geprüftes Pandemiegesetz am Ende die Büchse der Pandora öffnet.
Denn ist es nicht so, dass es in dieser Krise von Grund auf falsch ist, strafrechtliche Aktionen gegen die eigenen Bürger durchzusetzen, nur um ein gewünschtes Verhalten zu erzwingen? Sollte man jetzt nicht versuchen gemeinsam mit dem Volk die Krise zu bewältigen, und nicht gegen das Volk?
Die Grundrechte der Bürger sind unverhandelbar, oder in den Worten der Regierungspolitiker: sie sind alternativlos! – Die Maßnahmen sind allerdings nicht alternativlos! Dieser Fakt wird inzwischen von einer Vielzahl an Daten und wissenschaftlichen Studien belegt.
Die Vivant-Fraktion wird sich auch weiterhin für den Erhalt des Rechtsstaats einsetzen und konstruktive Alternativvorschläge zu den geltenden Corona-Maßnahmen einbringen. Denn eins ist mittlerweile ganz klar: Die Folgen der Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis zu deren angeblichen Nutzen.
Diana Stiel
Alain Mertes
Michael Balter