Bayerns Regierende rufen die Menschen dazu auf ihre Nachbarn im Auge zu behalten.
In Spanien rufen Regierungsdelegierte die Bürger dazu auf „Verantwortung“ zu übernehmen und Verstöße gegen die Regeln bei der Polizei zu melden.
In Essen wurde gar ein Meldeportal eingerichtet, auf dem Bürger Verstöße gegen die Corona-Maßnahmen anonym anzeigen können.
Diese Entwicklung und die offizielle Förderung von Denunziantentum und Blockwartmentalität, die man bis dato eigentlich nur aus totalitären Staaten kannte, sehen wir mit großer Sorge. Und bevor der Aufschrei erfolgt, dass diese Wörter wegen ihrer Geschichte verbrannt und somit nicht nutzbar sind – es finden sich außer Petzen, Verrat, Judas oder Anschwärzer keine Synonyme, welche die Vergiftung des gesellschaftlichen Miteinander besser beschreiben.
Die Denunziation wird aktuell zur moralisch guten Tat erklärt, obwohl ja jeder seit dem Kindergarten weiß, dass Petzen einsam macht. Aber in Zeiten der Pandemie soll es für den Einzelnen wohl möglichst leicht sein, seinen Teil zur Volksgesundheit beizutragen.
Denunziation ist ein Angebot von oben, das auf die Mitarbeit von unten angewiesen ist.
Laut Bericht des Grenz Echo vom 29.10.2020 verstärken also nunmehr anonyme Kontrolleure und Inspektoren die belgische Polizei bei der, so wörtlich, Jagd auf diejenigen, die gegen die Corona-Regeln verstoßen.
Nennen wir diese anonymen Jagd-Inspektoren einfach die geheime Staatspolizei. Irgendein kluger Kopf wird sich dafür schon eine passende Abkürzung einfallen lassen. Wo soll das eigentlich enden?
Aber zurück zur Denunziation. Wenn ein Denunziant möglicherweise der Auffassung ist, Zivilcourage zu beweisen, weil er glaubt, im Sinne der Gemeinschaft zu handeln, müsste er sich dennoch die Frage stellen: Auf welcher Basis habe ich wirklich gehandelt? Aus der selbst empfundenen Sicht von Gerechtigkeit oder aus Sicht einer von außen definierten gesellschaftlichen Bestimmung von Recht und Ordnung? Was ist richtig, was ist falsch?
Bewusst oder unbewusst, wird sein Handeln jedoch im Kern von Angst bestimmt. Und Angst war noch nie ein guter Berater.
Doch Krisen bringen bei der Mehrheit der Menschen, vor allem auch in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, eben die guten Seiten hervor – Anteilnahme, Hilfsbereitschaft, Mut, aktive Mitgestaltung, kreative Lösungssuche – ohne die die Krisen der Vergangenheit gar nicht erst hätten überwunden werden können. Daher schließen wir mit Marcel Baumert: „Dein Herz führt dich besser durch die Krise als deine Augen.“
Diana Stiel
Alain Mertes
Michael Balter