Vor ca. zwei Wochen verkündetet Senator Gregor Freches (PFF), nicht ohne Stolz, in einer Pressemitteilung die Annahme eines Resolutionsvorschlags der föderalen Liberalen (MR) zur Herabsetzung des Schulpflichtalters von 5 auf 3 Jahre im Senat.
Nach dem Willen der Liberalen (MR & PFF) sollen also möglichst bald schon alle Eltern in Belgien dazu verpflichtet werden, ihre Kinder ab dem Alter von 3 Jahren jeden Tag in den Kindergarten zu schicken.
Laut Unterrichtsministerin Klinkenberg besuchen in der DG bereits jetzt, also ohne diese Verpflichtung, rund 99,5% aller Kinder den Kindergarten ab dem Alter von 3 Jahren. Dies ist verständlich, denn der Kindergarten ist eine der günstigsten Formen der Kinderbetreuung. Zudem empfinden viele Eltern den Kontakt ihrer Schützlinge mit Gleichaltrigen als Bereicherung für deren Entwicklung.
Die ist aber nicht nur in der DG so. In der Begründung zur Resolution der MR steht eine weitere interessante Zahl. Laut einer Veröffentlichung der König-Baudouin-Stiftung besuchen in Belgien beinahe 100% aller Kinder bereits im Alter von 3 Jahren einen Kindergarten (zum Vergleich: Weltweit lag die Quote 2020 bei 61 %). Wozu also dieser Resolutionsvorschlag?
In einigen Ballungszentren, wie z. Bsp. in einzelnen Randgemeinden um Brüssel, gibt es eine höhere Anzahl Kinder aus so genannten sozial schwachen Familien. So spricht die MR in ihrem Resolutionsvorschlag des Weiteren davon, dass 37% dieser Kinder kein Französisch sprechen (und wahrscheinlich auch keine der beiden anderen Landessprachen – Anm. d. Autoren).
Dass diese Kinder in ihrer späteren schulischen Laufbahn Schwierigkeiten haben werden, wenn sie bis zum Alter von 6 Jahren die Unterrichtssprache nicht erlernt haben, liegt auf der Hand. Deswegen aber alle Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren verpflichtend in den Kindergarten einzuschulen, kann nicht die Lösung sein!
Die Freiwilligkeit des Kindergartens bietet Eltern viel Flexibilität. Im Alter von 3, und demnächst 2,5 Jahren, gehen etliche Kinder nur zeitweise in den Kindergarten, da es ganztägig noch zu anstrengend für sie wäre. Nicht unerwähnt sei auch, dass dies vielen Familien mit kleinen Kindern ermöglicht, außerhalb der überteuerten Urlaubssaison, günstiger Urlaub zu machen. Wer Schulpflicht sagt, sagt auch Schulpflichtkontrolle. Müssten dann alle Eltern für jeden Tag Abwesenheit eines Kindes ein ärztliches Attest einreichen? Wenn ja, was wäre das für ein Aufwand?
Senator Gregor Freches vereidigt die Resolution vor allem mit dem Willen mehr Chancengleichheit für Kinder zu schaffen. Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit für Kinder sind moderne politischen Schlagwörter, welche ungemein viel Wohlwollen gegenüber Kindern suggerieren sollen. Die Resolution der MR könnte aber genau das Gegenteil bewirken, denn für beinahe 100% der Kinder bringt er keine Verbesserung, ganz im Gegenteil.
Für Kinder, die der Unterrichtssprache nicht mächtig sind oder die aus anderen Gründen Schwierigkeiten haben, in die Primarschule einzusteigen und mitzukommen, sollten gezielt Angebote geschaffen werden.
Vivant lehnt die Idee der Reduzierung des Schulpflichtalters, eigentlich müsste es Unterrichtspflichtalter heißen, von 5 auf 3 Jahre kategorisch ab. Genau so, wie wir bereits die Herabsetzung von 6 auf 5 Jahre abgelehnt haben.
Aufgrund der fehlenden Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme, muss auch die Frage erlaubt sein, ob hinter dieser Idee nicht auch der Grundgedanke steht, dass der Staat unsere Kinder viel besser erziehen könne, als die Eltern bzw. Familien dies könnten? Zugegeben, ein wohl eher sozialistisches Modell, welches man nicht bei den Liberalen vermuten würde. Doch selbst die NVA scheint dem Modell positiv gegenüberzustehen.
Wir begrüßen die Aussage der Ministerin Klinkenberg in der Kontrollsitzung von letzter Woche, dass sie eine Bewahrung der Flexibilität im Kindergartenalter von 3 bis 5 Jahren für wünschenswert hält. In den sozialen Medien hat sie sich dann auch klar gegen die Herabsetzung ausgesprochen.
Es ist eine bedenkliche Entwicklung, dass der Staat auf vielen Ebenen dabei ist, immer mehr Einfluss zu nehmen. Dabei sollte die Entwicklung in die genau entgegengesetzte Richtung gehen. Das gerade von den angeblich Liberalen (der PFF und der MR) solch ein Vorschlag kommt, ist mehr als befremdlich. Der Staat soll die Bedingungen dafür schaffen, dass die Menschen möglichst frei ihr Leben gestalten können. Nicht mehr und nicht weniger.
Vivant-Fraktion im PDG
Michael Balter, Diana Stiel, Alain Mertes