NoGo des Unterrichtsministers bezüglich fehlender Hintergrundinformation

Am ver­gan­ge­nen 3. Juli ver­sam­mel­te sich der Aus­schuss III für Unter­richt, Aus­bil­dung, Kin­der­be­treu­ung und Erwach­se­nen­bil­dung zur öffent­li­chen Kon­troll­sit­zung im Ple­nar­saal des Par­la­ments der DG.

Auf der Tages­ord­nung stan­den eine Inter­pel­la­ti­on sei­tens der Eco­lo-Frak­ti­on sowie drei schrift­li­che Fra­gen, die eben­falls von den Ver­tre­tern der Oppo­si­ti­on (CSP, Eco­lo und Vivant) an den Unter­richts­mi­nis­ter her­an­ge­tra­gen wurden.

Die Abge­ord­ne­ten the­ma­ti­sier­ten in ihren Bei­trä­gen vor allem die Aus­wir­kun­gen der Covi­d19-Pan­de­mie auf den Schul­un­ter­richt sowie die Orga­ni­sa­ti­on der Unter­rich­te und Kon­takt­bla­sen in den Sekun­dar­schu­len zu Beginn des Schul­jah­res 2020–2021.

Anlass zur Dis­kus­si­on gab u.a. das Farb­code­sys­tem, dass zum Schul­be­ginn im Sep­tem­ber in den Schu­len Anwen­dung fin­den soll und von der GEES (Exper­ten­grup­pe der Exit­stra­te­gie) defi­niert wur­de. Die­ses “Ampel­sys­tem” sieht vor, dass je nach epi­de­mio­lo­gi­scher Situa­ti­on gewis­se Maß­nah­men zu ergrei­fen sind. So wäre zum Bei­spiel in der gel­ben Pha­se das Infek­ti­ons­ri­si­ko rela­tiv gering, und in der roten Pha­se wür­den dem­nach wie­der sehr stren­ge Rege­lun­gen gel­tend gemacht werden.

Laut den Schät­zun­gen der Epi­de­mio­lo­gen wird Bel­gi­en sich im Sep­tem­ber im Bereich der gel­ben Pha­se bewe­gen. Die­se Pha­se beschreibt ein gerin­ges Infek­ti­ons­ri­si­ko und sieht ein gewis­ses Maß an Vor­sichts­maß­nah­men vor. Die Unter­richts­mi­nis­ter des Lan­des hat­ten unlängst beschlos­sen, sich an den Emp­feh­lun­gen der GEES zu ori­en­tie­ren und ledig­lich an vier Tagen pro Woche den Unter­richt in den Schu­len statt­fin­den zu las­sen. Den Schü­lern geht somit ein Unter­richts­tag ver­lo­ren, was die Abge­ord­ne­ten in der Dis­kus­si­on im Anschluss an die Fra­ge­stun­de sicht­lich beschäftigte.

Alain Mer­tes woll­te in die­sem Zusam­men­hang unter ande­rem wis­sen, auf wel­chen medi­zi­ni­schen und epi­de­mio­lo­gi­schen Annah­men die­ses Farb­code­sys­tem basiert. Auch woll­te er in Erfah­rung brin­gen, wel­che ver­schie­de­nen Kri­te­ri­en erfüllt sein müss­ten, damit die Her­den­im­mu­ni­tät als gege­ben ange­se­hen wer­den könne.

In der pau­scha­len Ant­wort des Minis­ters, anhand derer er gleich­zei­tig auf die Inter­pel­la­ti­on sowie auf die drei Fra­gen der Oppo­si­ti­on ein­ging, sah Alain Mer­tes sei­ne Fra­gen jedoch nicht beant­wor­tet. Somit hat er in der anschlie­ßen­den, ange­reg­ten Dis­kus­si­ons­run­de noch­mals kon­kret nach­ge­hakt, um genaue­re Infor­ma­tio­nen zu den medi­zi­ni­schen und epi­de­mio­lo­gi­schen Hin­ter­grün­den zu erhal­ten, die dem Ampel­sys­tem und dem­zu­fol­ge die Ent­schei­dung, einen Unter­richts­tag in den Sekun­dar­schu­len kom­plett zu strei­chen, zugrun­de liegen.

Der Minis­ter muss­te jedoch bei eini­gen Fra­gen pas­sen und gestand, nicht über die­ses Hin­ter­grund­wis­sen zu ver­fü­gen. Die Exper­ten der GEES beob­ach­te­ten tag­täg­lich die Ent­wick­lung der Fall­zah­len in Bel­gi­en und errech­ne­ten die Repro­duk­ti­ons­zah­len, die wie­der­um den Natio­na­len Sicher­heits­rat zu wei­te­ren Ent­schei­dun­gen und Hand­lun­gen veranlassen.

Da er kein epi­de­mio­lo­gi­scher Exper­te sei, kön­ne er auch nicht sagen, ab wann eine Her­de­im­mu­ni­tät erreicht sei und ver­wies daher auf die Inter­net-Platt­form der sciensano.be und der GEES-Gut­ach­ten, deren neue wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se auf den Web­sei­ten der föde­ra­len Regie­rung ein­zu­se­hen seien.

Dass der Unter­richts­mi­nis­ter nicht in der Lage war, den Sach­ver­halt wis­sen­schaft­lich dar­zu­le­gen, konn­te Alain Mer­tes gut nach­voll­zie­hen. Dass er aber noch nicht ein­mal über die Unter­la­gen ver­fü­ge, in wel­chen die Grund­la­gen der Emp­feh­lun­gen der Exper­ten trans­pa­rent doku­men­tiert und dar­ge­legt sei­en, konn­te er nicht nach­voll­zie­hen und brach­te sei­ne dies­be­züg­li­che Besorg­nis zum Ausdruck.

Harald Mol­lers ver­traut also offen­sicht­lich völ­lig blind den aus­ge­wähl­ten Exper­ten, ohne sich selbst über die Hin­ter­grün­de zu infor­mie­ren. Auch ein Aus­tausch mit ande­ren Exper­ten ist folg­lich nicht mög­lich. Bei so weit­rei­chen­den Ent­schei­dun­gen soll­ten ver­ant­wort­li­che Poli­ti­ker auch ande­re Exper­ten-Mei­nun­gen ein­ho­len, um sich ein mög­lich kom­plet­tes Bild der Situa­ti­on machen zu können.

Abschlie­ßend appel­lier­te Alain Mer­tes ange­sichts der zur­zeit ent­spann­ten epi­de­mio­lo­gi­schen Situa­ti­on an die Beson­nen­heit aller Betei­lig­ten, da er vor die­sem Hin­ter­grund die Ent­schei­dung des ein­tä­gi­gen Unter­richts­aus­falls nicht gut­hei­ßen kön­ne. Zudem äußert er sich besorgt dar­über, dass der Minis­ter in sei­ner Ver­ant­wor­tung nicht über die­se wich­ti­gen Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen ver­fü­ge, auf denen der­art schwer­wie­gen­de Maß­nah­men basie­ren. Laut Alain Mer­tes sei dies ein NoGo!

Alain Mer­tes
Micha­el Balter
Dia­na Stiel