Nach den Wahlen im Jahr 2004 gelang Vivant mit 7,34 Prozent der Wählerstimmen erstmals der Einzug ins Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Seitdem hat die Partei sich stets behauptet und ist seit zwei Jahren sogar mit drei Parlamentariern im PDG vertreten. Mit Michael Balter, dem Sprachrohr von Vivant, der keine Angst davor hat, auch mal anzuecken, sprachen wir über die Arbeit der Partei im PDG und über deren Haltung in der Coronakrise.
Vivant Ostbelgien versteht sich als eine Bewegung politisch engagierter Bürger. Sie wollen nachhaltige Lösungsansätze für die Probleme der heutigen Zeit bieten. Was haben Sie bisher erreicht?
Ah, Einiges. Also wir haben nicht nur manchen Kollegen im PDG zum Nachdenken gebracht, sondern auch so manchen Bürger. Seit 2009 sind mein Kollege Alain Mertes und ich im Parlament und seit 2019 sind wir zu dritt mit Frau Stiel. Zuerst waren wir eine klare Opposition und haben von Anfang an Missstände aufgedeckt. Wir haben aber auch immer wieder konstruktive Vorschläge gemacht. Ob nun bei Abänderungsvorschlägen zu Dekreten, oder auch bei Resolutionsvorschlägen – es hat Vivant-Vorschläge gegeben, die von der ganzen Mehrheit angenommen wurden. Wir haben auch Dinge thematisiert, die zunächst von der Mehrheit als völlig absurd abgetan wurden und im nachhinein dann doch noch zu einer offenen Diskussion geführt haben. Ich denke da u. a. an unseren Resolutionsvorschlag zum Thema Elterngeld.
Die Deutschsprachige Gemeinschaft kostet viel Geld – Kosten, die von Ihnen schon oft scharf kritisiert worden sind.
Der Bürokratieabbau ist ein Thema, das uns schon lange beschäftigt. Die immensen Kosten der DG betreffen sehr viele Bereiche: das Parlament kostet mehr als sieben Millionen Euro pro Jahr, fast vier Millionen kostet die Regierung, hinzu kommen noch Kosten für das Ministerium und andere Verwaltungen. Wir haben immer wieder gesagt, dass die Kosten extern geprüft werden sollten, um zu schauen, wie man das Ganze vielleicht besser strukturieren kann. In der Regierungserklärung 2019 teilte Oliver Paasch mit, dass er ein externes Büro damit beauftragen würde, die Strukturen untersuchen zu lassen – nicht nur, um Kosten zu sparen, sondern auch zwecks Effizienzsteigerung. Man sieht hier, dass man doch auf Vivant hört. Jedes Jahr elf Millionen Euro für Regierung und Parlament – das kann doch wohl nicht sein. Hinzu kommt dann noch der Klüngel und das „Unterbringen von Leuten“. In der DG gibt es viele Sachen, die falsch gemacht werden und sehr viel Geld kosten.
Corona bestimmt seit über einem Jahr unseren Alltag. Dass Vivant Dinge wie Maskenpflicht, Ausgangssperre und jetzt das Impfen zum Teil komplett ablehnt, sorgt für Unmut. Wie gehen Sie damit um?
Ich finde, im letzten Jahr hat es nicht viele Anfeindungen gegenüber Vivant gegeben. Von Anfang an haben wir in der wöchentlich stattfindenden Sitzung der Fraktionsvorsitzenden drei Punkte immer wieder hervorgehoben: die Angstmacherei der Regierung, die zum Teil fragwürdigen Maßnahmen und die Situation in den Altenheimen. Es ist nicht richtig, wenn man den Menschen Angst macht. Angst macht krank. Deshalb muss man die Menschen bei jeder Krankheit daran erinnern, dass sie ein Immunsystem haben, das sie stärken sollten. Die Regierung hat aber genau das Gegenteil gemacht. Vergangenes Jahr hat mir Herr Paasch vorgeworfen, „italienische Verhältnisse“ heraufbeschwören zu wollen. Doch genau diese Ausdrucksweise zieht sich seit einem Jahr wie ein roter Faden durch die Mitteilungen der Regierung. Hinzu kommt, dass wir immer noch von einem Virus reden, von dem ein Großteil der Bevölkerung nicht direkt betroffen ist. Und selbst diejenigen, die erkrankt sind, landen nicht sofort auf einer Intensivstation. Vor einigen Wochen hatten wir in der DG keine Hospitalisierung wegen Corona. Die Reaktion der Minister darauf: „Noch ist die Situation unter Kontrolle“. Da stelle ich mir die Frage, ob man gewisse Fakten nicht einfach auch mal so kommunizieren kann, wie sie sind.
In den vergangenen Monaten haben Sie immer wieder die Maskenpflicht oder die Schließung von Geschäften und anderen Sektoren bemängelt. Welche Maßnahmen hätten Sie denn vorgeschlagen?
Immer wieder hat man uns vorgeworfen, keine Alternativen zu bieten. Dabei haben wir dies gemacht. Wir haben sogar eine Interpellation zur Maskenpflicht in Schulen eingereicht. Und ich muss klarstellen, dass wir nicht nur einfach sagen „wir sind gegen die Masken“. Wir liefern stets sachliche Erklärungen, die sich auf Erkenntnisse von Wissenschaftlern und Medizinern beziehen. Aber auf diese Argumente hört man viel zu wenig, was ich sehr seltsam finde. Seit Corona sind offene Diskussionen zu gewissen Themen nicht mehr möglich. Vivant leugnet dieses Virus nicht. Das Virus ist da und ist sicherlich auch mit Gefahren verbunden – zumindest für gewisse Bevölkerungsgruppen. Aber, die Maßnahmen sind auch gefährlich, und zwar für viele Bevölkerungsgruppen. Als ich gesagt habe, man sollte die Risikogruppen schützen, hieß es: „Das ist nicht möglich, weil dann 30 Prozent der Belgier eingesperrt werden müssten.“ Was hat man aber gemacht? 100 Prozent der Belgier eingesperrt. Das führt zu Ungehorsam. Vivant spricht Dinge an, die Hunderte Wissenschaftler belegen können. Ich frage mich, warum man diesen Wissenschaftlern nicht zuhört. Belgien wird seit einem Jahr von einer Handvoll Leuten regiert, die bestimmen, was gemacht wird. Das ist sehr fraglich. Vor Corona gab es ein oft Ringen um den richtigen Weg und offene Diskussionen. Jetzt wird einfach nur noch von oben herab bestimmt. „Du bist dafür, oder du bist ein Leugner“ – hinzu kommen die drakonischen Strafen und das Denunziantentum. Was das alles angerichtet hat, ist unbeschreiblich. Und das wird morgen ja auch nicht weg sein.
Wie kommen wir da denn wieder raus?
Wir fordern ganz klar, dass es eine sachliche Aufklärung geben muss. Dazu muss man auch Wissenschaftler einladen, die das mit dem Corona-Virus etwas anders sehen. Es kann einfach nicht sein, dass bei jeder Meldung immer nur das Negative hervorgehoben wird. Das hat dazu geführt, dass sich bei vielen, die nur auf traditionelle Informationsquellen zurückgreifen, Angst breitgemacht hat. Ich kenne Menschen, die gehen seit einem Jahr nicht mehr aus dem Haus. Hinzu kommen die wirtschaftlichen Folgen, die vermutlich Ausmaße haben werden, die wir uns gar nicht vorstellen können. Die vielen Unterstützungsmaßnahmen haben und werden auch noch viel Geld verschlingen. Man sollte dabei nicht vergessen, dass der Staat keine Geschenke macht und sich dieses Geld wieder zurückholt – bei Ihnen und bei mir.
Beim Thema Impfen hat Vivant ja eine kritische und teils ablehnende Haltung.
Wir können den Leuten nur empfehlen, sich zu informieren. Es hat noch nie einen Impfstoff gegeben, der in so kurzer Zeit entwickelt wurde. Es gibt keine Langzeitstudien, aber anscheinend wohl Erkenntnisse darüber, dass die Geimpften das Virus weniger übertragen als Nicht-Geimpfte. Dabei gibt es Indizien, dass auch Geimpfte an Covid-19 erkranken. Dass dabei über Privilegien für Geimpfte bereits nachgedacht wird, ist ungeheuerlich, dann sind wir doch bei einer Impfpflicht… Hinzu kommen die Nebenwirkungen der Corona-Impfung. Ich weiß, dass in den Altenheimen in der Eifel Menschen nach der Impfung richtig schlecht dran waren. Ich bin der Meinung, dass man spätestens ab Sommer letzten Jahres massiv in die Krankenhäuser hätte investieren müssen. Außerdem hätte man auf die Armee zurückgreifen können, die über viele Spezialisten und Hunderte Sanitäter verfügt, mit deren Hilfe Notkrankenhäuser hätten eingerichtet werden können. Die wirtschaftlichen, psychischen und sozialen Schäden, die die Lockdowns jetzt angerichtet haben, sind sicherlich größer als die Mittel, die für Notkrankenhäuser nötig gewesen wären. Aber in Belgien ist fast nichts unternommen worden, um das Gesundheitswesen aufzurüsten. Und wenn es Hunderte Millionen gekostet hätte, es hätte annähernd nicht das gekostet, was jetzt geschieht. Und die große Abrechnung wird noch kommen.
Erst kürzlich hat die Vivant-Fraktion im PDG in einer Pressemitteilung die Politik der Föderalregierung und auch der DG in Sachen Corona-Maßnahmen angeprangert. Von „schönen leeren Worten“ und von „Maßnahmen-Pandemie“ war da die Rede. Wenn Sie Entscheidungsgewalt hätten, was würden Sie als erstes ändern?
Also wir hätten, wie vorhin schon erwähnt, den Leuten Impulse gegeben, um ihr Immunsystem zu stärken. Außerdem hätten wir die Bevölkerung sachlich aufgeklärt und keine permanente Angst verbreitet. Denn Angst ist ein schlechter Ratgeber und zerstört zudem das Immunsystem. Dann eine massive Stärkung der ersten medizinischen Linie, d.h. der Hausärzte. Information über die zur Verfügung stehenden Medikamente und Therapien. Organisation eines strukturellen Austauschs auf nationaler, europäischer und weltweiter Ebene von Erfolgen und Misserfolgen bei der Behandlung von Covid-19. Und nochmals, das Geld, das ein Lockdown kostet, hätte vernünftig in die Infrastruktur der Krankenhäuser investiert werden müssen. Wie seit Beginn der Pandemie mit den öffentlichen Geldern umgegangen worden ist, ist in unseren Augen sehr verwerflich. Alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben pünktlich ihr Gehalt bekommen, ohne Einschränkungen. Hier hätte man ein Zeichen der Solidarität setzen können, denn nicht alle waren ausgelastet. Dies wäre gut angekommen bei den Betroffenen in der Privatwirtschaft oder bei Selbstständigen, die ihre Geschäfte schließen mussten.
Immer wieder kritisiert Vivant den Umgang mit Steuergeldern. Wie rechtfertigen sich vor diesem Hintergrund denn die erst vor wenigen Tagen von Ihnen geschalteten Anzeigen unter dem Motto „Die Regierung handelt illegal“?
Das ist Aufklärung. Das ist Geld vom Bürger für den Bürger. Genau wie andere Fraktionen erhalten wir diese Mittel für unsere Arbeit. Und Aufklärung ist Teil unserer Arbeit. Wir sehen es als unsere Pflicht an, den Bürger sachlich zu informieren.
Bei Ihrer Arbeit im PDG fällt auf, dass Sie offenbar gerne schriftliche Fragen einreichen. Haben Sie keine Angst davor, angesichts der Fülle an Fragen irgendwann mal die Verwaltung lahmzulegen?
Sie wissen, Karl-Heinz Lambertz und ich sind keine Freunde, aber ich muss sagen, dass er als PDG-Präsident seine Arbeit besser macht als sein Vorgänger. Er hat dafür gesorgt, dass das Parlament gegenüber der Regierung gestärkt worden ist. Es wurden unter anderem zusätzliche Kontrollsitzungen eingeführt. Das hat zu Mehrarbeit in der PDG-Verwaltung und in den Ministerkabinetten geführt. Es ist allerdings Aufgabe der Regierung, uns Parlamentariern Rede und Antwort zu stehen. Vivant spricht mit den schriftlichen Fragen teils Themen an, für die wir im Plenarsaal kein Gehör finden. Manche Minister wissen das auch für sich zu nutzen. Ich bin schon mal von Mitgliedern der Verwaltung angesprochen worden, dass Sie unsere Fragen als äußerst interessant empfinden. Es sind halt nicht immer alltägliche Themen.
Wenn ein Minister in seiner Antwort auf eine Vivant-Frage ungehalten reagiert, wie kommt das bei Ihnen an?
Oft ist das ihres Amtes unwürdig. In anderen Parlamenten wäre es undenkbar, dass ein Minister einem Abgeordneten gegenüber so antwortet. Unsere ureigene Aufgabe ist es, die Regierung zu kontrollieren. Und, was wir fragen, ist unsere Angelegenheit und dient der Aufklärung der Bürger. Die Aussage eines Ministers in die Richtung „suchen Sie sich das selber raus“ ist einfach beschämend.
Stimmt es, dass überall dort in der Eifel, wo Vivant auf die meisten Wählerstimmen zählen kann, in der Vergangenheit auch die meisten Corona-Infektionen registriert wurden?
Ich finde die Frage sehr provokant. Ich kann Ihnen aber sagen, dass Vivant demnächst eine ausführliche Statistik zur Zahl der Todesfälle und der Übersterblichkeit der letzten zehn Jahre in allen neun deutschsprachigen Gemeinden vorlegen wird. Bei den uns bekannten Zahlen von einer Pandemie zu sprechen, ist gewagt und ein Vergleich mit der Pest, wie manche Mehrheitskollegen ihn schon gebracht haben, ist abwegig. Ich will das nicht kleinreden – Corona ist eine Gefahr. Allerdings sollte man bei der Übersterblichkeit im Zusammenhang mit Corona nicht nur die Zahlen der vergangenen zwei Jahre vergleichen. Um sich ein effektives Bild machen zu können, muss man sich mit mindestens fünf Jahren auseinandersetzen. Auch muss man die demografische Entwicklung miteinbeziehen. Aus unserer Analyse geht hervor, dass eine leichte Übersterblichkeit da ist, aber nicht so, wie sie dargestellt wird. Hinzu kommt, dass man uns bis heute keine schlüssige Antwort auf die Frage gegeben hat, was mit den Menschen geschehen ist, die Corona-positiv getestet waren. Wie krank waren die Betroffenen? Waren sie infektiös, wieviele mussten im Krankenhaus behandelt werden? Im Herbst habe ich jede Woche den zuständigen Minister befragt, aber nie eine Antwort bekommen. Die Regierung ruft die größte Pandemie der letzten Jahrzehnte aus, jeder Kritiker wird angeschrien, aber niemand interessiert sich dafür, was beispielsweise aus den zahlreichen Infizierten in Bütgenbach geworden ist. Hierzulande wird pauschal und populistisch, seitens der Regierung mit den Corona-Zahlen jongliert. Die Zahlen sind nicht fundiert, gehen nicht in die Tiefe und werden vor allem nicht richtig analysiert. Wir versuchen immer sachlich zu bleiben und Quellen zu nennen. Natürlich kommt auch mal eine Anzeige vor mit einem Kind, das eine Maske trägt. Wir sollten den Menschen die Angst nehmen.
Lesen Sie den im GrenzEcho erschienen Artikel vom 29.04.2021 hier im PDF-Format.