Vivant fordert die vollständige Offenlegung der Verträge mit dem Pharmakonzern Pfizer
Verschwendete die EU-Kommission Geld beim Kauf von Impfstoffen?
Nicht nur die Mehrheit im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat offensichtlich wenig Interesse an der Aufarbeitung der Arbeit der Regierung während der Coronakrise. Auch an der Spitze der EU fehlt die Bereitschaft, die Politik und die Geldflüsse während den Corona-Jahren zu hinterfragen. Nun haben ein Belgier und sogar die New York Times Klage gegen die EU-Kommission eingereicht: [1], [2], [3], [4], [5].
Es geht um die Bestellung von 500 Millionen Impfdosen für einen Betrag von angeblich 35 Milliarden Euro beim Pharmakonzern Pfizer und den SMS-Verkehr dazu zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem Pfizer-Chef Albert Bourla.
Im Nachhinein ist man bekanntlich klüger. Erinnern wir uns: Als die ersten Impfstoffe im Spätherbst 2020 die Freigabe durch die Europäische Gesundheitsbehörde erhielten, begann ein regelrechtes Wettrennen um die ersten verfügbaren Impfdosen. Um einen Wettbewerb zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zu vermeiden und um nicht zu kurz zu kommen, wurde die EU-Kommission mit dem gemeinsamen Kauf von Impfstoffen beauftragt. Die Kommission langte ordentlich hin, ohne allzu genau auf den Preis, die Lieferbedingungen und die Gewährleistung der Pharmaunternehmen zu schauen.
Nach dem Beginn der Impfkampagnen in ganz Europa legte die Kommission im ersten Halbjahr 2021 nach und bestellte noch einmal über eine Milliarde Impfdosen – angeblich zu einem noch höheren Preis als 2020. Ursula von der Leyen hat sich, nach eigener Aussage, persönlich eingemischt und hatte diesbezüglich einen SMS-Austausch mit dem ihr bekannten Pfizer-Chef Albert Bourla. Nun sind diese Textnachrichten offenbar vom Telefon der Kommissionspräsidentin verschwunden und die EU-Kommission weigert sich trotz Anfragen vieler Journalisten, trotz Intervention der Ombudsfrau der EU, trotz Anfragen aus dem EU-Parlament und trotz Nachfrage der EU-Staatsanwaltschaft beharrlich, Informationen zu den Verträgen mit Pfizer herauszugeben. Das geht gar nicht, finden nicht nur wir von Vivant, sondern auch Abgeordnete u. a. der Grünen und der Sozialisten im EU-Parlament, aber auch die EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly.
Wir von der Vivant-Fraktion im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft vertreten folgende Ansicht: Hier geht es um öffentliche Gelder in Milliardenhöhe, also auch um belgische und ostbelgische Steuergelder. Die Bürger haben ein Recht zu wissen, wie ihr Geld ausgegeben wurde, denn die EU-Kommission hat im Auftrag der Mitgliedstaaten, also auch Belgiens, gehandelt. Wenn unrechtmäßig gehandelt wurde, muss dies aufgedeckt werden.
Wäre Pfizer ein vertrauenswürdiger Partner und gäbe es in der EU nicht zahlreiche Beispiele von Korruption, könnte man vielleicht entspannter an das Thema herangehen. Aber der US-Pharmariese Pfizer hat in den letzten Jahrzehnten Dutzende von Skandalen verursacht und im Laufe der Jahrzehnte Milliarden an Strafen wegen illegaler Beeinflussung, falscher oder unzureichender Information der Patienten, Manipulation von Studien etc. zahlen müssen. Jetzt riecht es nach einem weiteren Skandal.
So musste Pfizer 2004 430 Millionen Strafe zahlen: In der Kritik stand das Medikament Neurontin, das Pfizer trotz dieser Strafe noch zehn Jahre lang weiterverkauft hat. Erst als noch einmal Strafzahlungen von über einer halben Milliarde Dollar folgten, zog Pfizer das Medikament zurück. Nach öffentlichen Protesten wegen 63 Todesfällen und zahlreicher Leberversagen musste Pfizer auch das Medikament Rezulin vom Markt nehmen und 750 Millionen Dollar Strafe zahlen. 2010 wurde eine Strafzahlung von 2,3 Milliarden für das Schmerzmittel Bextra wegen falscher Kennzeichnung mit betrügerischer Absicht fällig.
Diese Liste ließe sich fortsetzen.
Die Gewinne aller Impfstoffhersteller lagen weltweit vor der Coronakrise bereits bei rund 35 Milliarden Dollar pro Jahr.[6] Pfizer allein kam im Jahr 2021 auf einen Gewinn von 22 Milliarden Dollar, ein Zuwachs gegenüber 2020 von 140%.[7] Im Jahr 2022 erzielte Pfizer schließlich 31,4 Milliarden Dollar Gewinn, eine weitere Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 43%.[8] Das ist der höchste Gewinn, den Pfizer jemals erzielt hat. Trotzdem erhöhte Pfizer in dem jüngsten 3,2 Milliarden Dollar schweren Deal mit der US-Regierung den Preis des Impfstoffes um mehr als 50% – auf Kosten des Steuerzahlers .[9]
Ist blindes Vertrauen in diesen Konzern gerechtfertigt?
Die EU-Kommission war also gewarnt, dass man es mit einem Geschäftspartner zu tun hatte der nicht vor illegalen Methoden zurückschreckt, wenn es um ertragreiche Geschäfte geht. Dennoch legte man in Brüssel nicht die gebotene Vorsicht an den Tag. Mindestens genauso schlimm ist, dass die EU-Kommission und ihre Präsidentin, die auch schon als deutsche Verteidigungsministerin wegen ähnlicher Vorwürfe in die Kritik geraten war, sich weigern, den gewählten Vertretern der europäischen Bürger im Parlament und Journalisten die Informationen auszuhändigen, um ihr Handeln zu prüfen.
Das untergräbt das sowieso schwache Vertrauen der Bürger in internationale Konzerne, in die EU und in die Politik insgesamt.
Wir fordern deshalb die vollständige Herausgabe der Kommunikation zwischen Pfizer und der EU-Kommission und die Offenlegung der Verkaufsbedingungen in allen Verträgen, die während der Coronazeit mit dem US-Pharmariesen abgeschlossen wurden.
Dazu haben wir im Parlament der DG eine Resolution eingereicht.
Es reicht nicht nur aufzuklären, wie die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft und die Föderalregierung die Coronakrise gemeistert haben. Die ostbelgischen Bürger haben ein Recht zu erfahren, wie die EU mit ihren Steuergeldern umgegangen ist.
Gerade bei solchen Summen sollte Transparenz gegenüber dem Bürger herrschen. Denn nur so kann – wenn überhaupt – vermieden werden, dass nicht noch mehr Vertrauen in die politischen Institutionen verloren geht. In unseren Augen ist diese Transparenz das Mindeste, was die politischen Institutionen dem Bürger schuldig sind.
Den kompletten Resolutionsvorschlag können Sie hier nachlesen.
Diana Stiel, Alain Mertes, Michael Balter