Die Bedeutung der Sprache in unserer Gemeinschaft steht außer Frage. Sie ist ein wesentliches Element unserer Identität. Alle Parteien sind sich darin einig, dass die Wahrung der Sprache ein zentraler Aspekt unseres kulturellen Erbes ist. Doch trotz dieser gemeinsamen Überzeugung stoßen wir auf einige Schwierigkeiten, die es zu überwinden gilt.
In der Kontrollsitzung vom 11. März 2020 wurde im Rahmen einer mündlichen Frage von Herrn Grommes (ProDG) die Thematik der Sprachauswahl im Anrufermenü der Notrufnummer 112 angesprochen. In seiner Antwort erklärte Herr Minister Antoniadis damals, dass die Sprachauswahl eine Angelegenheit des Föderalstaates sei. Obwohl man bereits Rückmeldungen vom 112-Dienst eingeholt habe, wurde bis dato scheinbar kein signifikantes Feedback aus der Bevölkerung bezüglich Sprachproblemen in Verbindung mit dem Gebrauch der deutschen Sprache gemeldet.
Jüngst wurden wir jedoch über einen besorgniserregenden Vorfall informiert, der die Notwendigkeit einer Überprüfung und Verbesserung des Systems unterstreicht. Eine Bürgerin aus der Eifel schilderte uns, wie sie in einer Notsituation die Notrufnummer 112 wählte, nachdem sie in ihrem eigenen Haus überfallen wurde. Nach Auswahl der deutschen Sprache im Menü erhielt sie sonderbarerweise nicht nur eine automatische Ansage in Französisch „restez en ligne“ (Deutsch: Bleiben Sie in der Leitung), nein, der folgende Ansprechpartner sprach ausschließlich Französisch. Die Frage nach einem deutschsprachigen Mitarbeiter wurde verneint, da gerade niemand im Haus sei. Dies führte zu Verständigungsschwierigkeiten, da Orts- und Straßennamen buchstabiert werden mussten und frankophone Mitarbeiter diese oft nicht verstehen. Das Telefonat dauerte insgesamt 5 Minuten und 9 Sekunden, was für das Opfer eines Überfalls unendlich lang erscheint und in Fällen, in denen es um Leben und Tod geht, absolut inakzeptabel ist.
Daraus ergeben sich für uns Fragen an den zuständigen Minister Antoniadis, wie z.B:
– Wurde der 112-Dienst im Hinblick auf die Verwendung der deutschen Sprache weiter evaluiert? Wenn ja, was sind die Ergebnisse? Wenn nein, warum nicht?
– Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um eine reibungslose Kommunikation in der bevorzugten Sprache in Notsituationen zu gewährleisten?
Die Vivant-Fraktion hat einige dieser Fragen in Form einer schriftlichen Anfrage an Minister Antoniadis gerichtet und wir erwarten gespannt seine Antwort.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass unser Notrufsystem so gestaltet ist, dass es in jeder Landessprache effektiv funktioniert und den Bedürfnissen unserer Bürgerinnen und Bürger gerecht wird. Wir erwarten, dass Minister Antoniadis die erforderlichen Schritte unternimmt, um die Situation zu verbessern und sich für die Achtung der sprachlichen Vielfalt in unserem Land einsetzt.
Die Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien sieht sich, auch nach 50 Jahren Autonomie, mit einem wachsenden Problem konfrontiert: Viele Dienstleister in Belgien bieten ihren Service nicht in deutscher Sprache an und verfügen nicht über deutschsprachiges Personal. Dies betrifft unterschiedliche Bereiche, Energieversorger, Banken, Telefon- und Internetanbieter sowie das Gesundheitswesen.
Die zuständigen Minister inszenieren ihre diesbezüglichen Forderungen zwar öffentlichkeitswirksam, aber es bleibt noch einiges im Argen.
Sehr besorgniserregend ist, dass selbst die Notrufnummer in Belgien nicht ständig mit deutschsprachigen Mitarbeitern besetzt ist. Leider fehlt es oft an deutschsprachigem Personal, das Notrufe entgegennehmen kann. Im Notfall ist es jedoch essenziell, dass professionelle Helfer wie Rettungsdienste, Feuerwehr oder Polizei schnell alarmiert werden können.
Die Deutschsprachigen Belgier haben, genau wie alle anderen Bürger dieses Landes das Recht, in der eigenen Muttersprache bedient zu werden.
Wir appellieren daher an die politisch Verantwortlichen alle Anbieter aufzufordern, ihren Service in deutscher Sprache anzubieten und sicherzustellen, dass die Notrufnummer rund um die Uhr mit deutschsprachigem Personal besetzt ist. Die Sicherheit und das Wohlergehen der deutschsprachigen Bürger in Belgien dürfen nicht vernachlässigt werden. Minister Antoniadis selbst hat dies in den letzten Jahren immer wieder betont.
Die Vivant-Fraktion hofft auf positive Reaktionen seitens der Anbieter und der Politik, um dieses Problem schnell anzugehen und zu lösen.
Vivant-Fraktion
Diana Stiel, Alain Mertes, Michael Balter