Vivant spricht sich für ein Handyverbot an Schulen sowie den Einrichtungen der mittelständischen Ausbildung aus und hat im Unterrichtsauschuss des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft den Vorschlag eingebracht, das Thema gemeinsam zu diskutieren und gegebenenfalls fraktionsübergreifend einen entsprechenden Dekretvorschlag auszuarbeiten.
Die zunehmende Verbreitung von Smartphones in Schulen hat zu wachsenden Herausforderungen im Schulalltag geführt. Mobbing, gegen Schüler und Lehrer sind auch in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Realität, was für Schulleitungen zu enormen Problemen führt. Schüler teilen Fotos und Videos, die pornographische Inhalte, extreme Gewalt bis hin zu Folter zeigen. Diese hinterlassen Spuren bei den Kindern und Jugendlichen, die neben negativen psychischen Auswirkungen auch Einfluss auf das Zusammenleben in der Schule haben. Es liegt auf der Hand, dass ein Handyverbot diese Phänomene nicht gänzlich verhindern kann. Hier sind genauso die Eltern in der Verantwortung. Die öffentliche Hand kann jedoch mit einer solchen Maßnahme die Entwicklung eindämmen und ein Zeichen setzen. Gleichzeitig sollte damit das Thema in der Schule aber nicht vom Tisch sein. Der bewusste Austausch mit den Schülern über die Nutzung der Smartphones, digitaler Medien, sozialer Netzwerke usw. kann ihnen zur Medienmündigkeit, also einem gesunden Umgang damit, verhelfen. Parallel ist eine intensive Aufklärung der Bevölkerung und insbesondere der Eltern über diese Problematik notwendig.
Basierend auf umfangreichen Erkenntnissen aus verschiedenen Ländern, insbesondere den Entwicklungen in Frankreich seit 2018, den geplanten Maßnahmen in den Niederlanden ab 2024 und der aktuellen Empfehlung der UNESCO, sprechen wir uns nachdrücklich für die Einführung eines umfassenden Handyverbots an allen Schulen und Einrichtungen der mittelständischen Ausbildung aus. Diese Maßnahme soll nicht nur das schulische Zusammenleben verbessern, sondern auch die Qualität der Bildung fördern.
In Frankreich wurde bereits 2018 eine Gesetzesänderung beschlossen, um die Nutzung von Mobiltelefonen in Schulen zu regulieren. Diese Maßnahme erfolgte als Reaktion auf nachgewiesene negative Auswirkungen auf die Konzentration und das Verhalten der Schüler.
Die geplanten Maßnahmen in den Niederlanden ab Januar 2024 gehen ebenfalls in diese Richtung. Die Einführung eines umfassenden Verbots für Schüler der Sekundarstufe, und für das nächste Schuljahr auch in der Primarschule, soll diese Herausforderungen angehen und könnte als Beispiel für andere Länder dienen, so der niederländische Bildungsminister Robert Dijkgraaf. Er betont, dass zunehmend Beweise darauf hindeuten, dass Mobiltelefone die Konzentration während des Unterrichts beeinträchtigen und sich negativ auf die schulischen Leistungen auswirken.
Eine steigende Anzahl Studien zeigen, dass es dabei keine Rolle spielt, ob das Telefon ein- oder ausgeschaltet ist, bzw. sich auf dem Pult oder in der Schultasche befindet. Ja selbst dann, wenn es auf einem Regal am anderen Ende der Klasse liegt oder anders ausgedrückt, solange es sich im selben Raum wie der Schüler befindet, hat es negative Auswirkungen.
Neben den internationalen Entwicklungen in Frankreich und den Niederlanden, möchten wir auf zwei weitere positive Beispiele von Schulen eingehen, die bereits erfolgreich ein Handyverbot implementiert haben:
Ein bemerkenswertes Beispiel stammt aus den Vereinigten Staaten, genauer gesagt von der Buxton School in Massachusetts. Diese Schule hat im Herbst 2021 ein umfassendes Verbot von Smartphones eingeführt, für Schüler und Lehrer. Dieser Schritt wurde nach einem Vorfall initiiert, bei dem ein Schüler ein Handgemenge live über sein Smartphone streamte. Das Verbot stieß anfangs auf Kritik, insbesondere auf Seiten der Generation, die mit Smartphones aufgewachsen ist. Dennoch zeigte sich nach der Umsetzung eine positive Veränderung im Verhalten der Schüler.
Lehrer hatten bereits zuvor festgestellt, dass die ständige Nutzung von Smartphones während des Unterrichts und gemeinsamer Mahlzeiten zu einer Ablenkung führte. Gemeinschaftsräume blieben leer, und Schüler zogen sich nach dem Unterricht in ihre Zimmer zurück, um online zu kommunizieren. Die Schule erklärte, dass die permanente Ablenkung durch Smartphones nicht nur das schulische Umfeld störte, sondern auch das seelische und geistige Wohlbefinden der Schüler beeinträchtigte.
Die Entscheidung, Smartphones zu verbieten, wurde nicht überstürzt getroffen, sondern wohlüberlegt. Die Schulleitung betonte, dass diese Maßnahme darauf abzielte, einen sinnvollen Raum für persönliche und zwischenmenschliche Entwicklung zu schaffen. Computer und Laptops blieben erlaubt, und die Schüler konnten weiterhin mit ihren Eltern über das „Light Phone“ (ein minimalistisches Gerät) kommunizieren, das bewusst auf textbasierte Kommunikation beschränkt ist.
Die Schule verzeichnete erstaunliche Ergebnisse nach der Umsetzung des Verbots. Schüler berichteten von einem Anstieg sozialer Interaktionen, mehr gemeinsamen Aktivitäten und einem insgesamt aktiveren Lebensstil. Die positiven Auswirkungen auf die soziale Dynamik und das Wohlbefinden der Schüler wurden deutlich.
Ein weiteres ermutigendes Beispiel für die positiven Auswirkungen eines Handyverbots an Schulen zeigt sich in Sydney. Die Davidson High School führte bereits 2018 ein solches Verbot für Schüler der Klassen 7 bis 10 (Anm. der Autoren: 1.-4. Sekundarstufe in Belgien) ein. Laut dem Direktor David Rule hat diese Maßnahme zu signifikanten Veränderungen geführt. In einem Rundschreiben der Schule betonte Rule, dass der Unterricht nun ohne störende Telefone stattfindet, was zu einer Reduktion von Verhaltensproblemen um 90 Prozent führte. Er unterstrich, dass Mobiltelefone das Lernen und die Konzentration der Schüler im Klassenzimmer behindern und ihre emotionale sowie soziale Intelligenz beeinträchtigen.
Die Ergebnisse in Sydney reihen sich ein in Erfolge, die auch in Frankreich nach der Einführung von Handyverboten an Schulen verzeichnet wurden.
Diese Beispiele zeigen, dass ein umfassendes Verbot von Smartphones nicht nur die Aufmerksamkeit und schulischen Leistungen der Schüler verbessern kann, sondern auch zu einer gesünderen sozialen Interaktion und einem aktiveren Lebensstil führen kann. Solche Erfolgsgeschichten können als Inspiration für das Parlament dienen, über die Einführung eines Handyverbots nachzudenken.
Die Argumente für ein Handyverbot im Überblick:
– Verbesserte Konzentration und Leistung: Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Mobiltelefone die Konzentration der Schüler während des Unterrichts beeinträchtigen und sich negativ auf ihre schulischen Leistungen auswirken können.
– Förderung einer positiven Lernumgebung: Die Eliminierung von Ablenkungen durch Mobiltelefone trägt dazu bei, eine positive und förderliche Lernumgebung in Schulen zu schaffen und fördert nicht nur das individuelle Lernen, sondern trägt auch zu einem respektvolleren Umgang bei.
– Reduzierung von (Cyber)Mobbing und unangemessenen Inhalten: Die Nutzung von Mobiltelefonen kann zu Cybermobbing führen und den Zugang zu unangemessenen Inhalten, einschließlich pornografischem Material und Gewaltdarstellungen, erleichtern. Die Verbreitung von Smartphones hat neue Formen des Mobbings und sozialen Drucks geschaffen. Ein Verbot verringert die Möglichkeit, dass negative Aktivitäten über digitale Medien stattfinden, und schützt die Schüler und Lehrer vor potenziellen Belastungen.
– Gesundheitliche Auswirkungen: Es gibt zunehmende Hinweise darauf, dass übermäßiger Handygebrauch bei Kindern und Jugendlichen gesundheitliche Auswirkungen haben kann, darunter Probleme mit der Schlafqualität und psychische Belastungen.
– Soziale Interaktion: Ohne ständige Ablenkung durch Mobiltelefone sind Schüler eher geneigt, miteinander zu kommunizieren. Dies stärkt soziale Bindungen, fördert den Teamgeist und schafft ein positives Schulklima.
– Förderung von Kommunikationsfähigkeiten: Der übermäßige Gebrauch von Smartphones kann die persönlichen Kommunikationsfähigkeiten beeinträchtigen. Ein Handyverbot ermutigt Schüler, ihre Gedanken und Emotionen persönlich auszudrücken, was für ihre Entwicklung von großer Bedeutung ist.
Die Empfehlung der UNESCO und die Hattie-Studie:
Die kürzlich von der UNESCO veröffentlichte Empfehlung zur Einführung von Handyverboten an Schulen unterstreicht die weltweite Notwendigkeit, die Nutzung von Smartphones im schulischen Umfeld zu regulieren. Die UNESCO betont dabei die positiven Auswirkungen auf die schulische Umgebung und das Lernverhalten der Schüler.
Die positive Wirkung von Handyverboten in Bildungseinrichtungen wird ebenfalls durch die Hattie-Studie (Ersterscheinung 2013, Aktualisierung 2023 unter Verwendung von 1800 Meta-Analysen) gestützt, die aufzeigt, dass Ablenkungen durch mobile Endgeräte einen nachweislich negativen Einfluss auf den Lernerfolg haben. Die Implementierung von Handyverboten kann somit einen Beitrag zur Steigerung der schulischen Leistung und Konzentration der Schüler leisten.
Vorschlag zur parlamentarischen Bearbeitung des Themas:
Basierend auf diesen Erkenntnissen hat die Vivant-Fraktion dem Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft vorgeschlagen, die Einführung eines umfassenden Handyverbots an Schulen und den Einrichtungen der mittelständischen Ausbildung gemeinsam zu diskutieren. Das Ergebnis könnte zum Beispiel die fraktionsübergreifende Ausarbeitung eines Dekretvorschlags im Bildungsausschuss sein.
Natürlich bleiben viele praktische Fragen zu klären, wie Ausnahmen für Schüler mit gesundheitlichen Einschränkungen oder praktische Maßnahmen, wie die Einführung von Schließfächern an Schulen, die dazu beitragen könnten, die Umsetzung des Verbots zu erleichtern.
Obwohl jede Schule schon heute die Möglichkeit hat, ein Handyverbot einzuführen, geschieht dies äußerst selten. Viele Schulleiter zögern, eigenständig ein Handyverbot zu verhängen, aus Furcht vor einem möglichen Schülerrückgang zugunsten von Schulen, an denen die Handynutzung noch erlaubt ist. Ein parlamentarisch verabschiedetes Dekret würde sicherstellen, dass alle Schulen gleichermaßen behandelt werden, und somit eine potenziell nachteilige Konkurrenzsituation verhindern.
Ein umfassendes Handyverbot an Schulen ist in unseren Augen entscheidend, um eine positive Lernumgebung zu schaffen und die schulische Leistung zu verbessern. Wir laden alle Parlamentskollegen dazu ein, diesen Vorschlag gemeinsam zu prüfen, mit uns fraktionsübergreifend zu diskutieren und gegebenenfalls zusammen entsprechende politische Maßnahmen auszuarbeiten.
Vivant-Fraktion
Diana Stiel, Alain Mertes, Michael Balter
Lesen Sie hier die Pressemitteilung als PDF mit allen Quellenangaben sowie unsere Zeitungsanzeige zu diesem Thema.